Monarchy vs. Anarchy in the UK: »Spencer«

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Biopic meint meist verstaubte Bilder, gepaart mit der Oscar-baity Performance von Schauspielgröße X („Unglaublich! Er sah wirklich aus wie Winston Churchill!“). „So wa(h)r das aber historisch gar nicht“, lautet die Kritik, „historisch akkurat“, frohlockt das Lob. Zuschauer*innen vor der Leinwand, die sich mehr als Historiker, denn als Filmkritiker*innen verstehen. Kunstkonservatismus, der eigentlich allen auch über die Pubertät hinaus neugierig gebliebenen, vorwärts blickenden U20-Filmgucker*innen signalisieren sollte, doch lieber zu Hause zu bleiben, anstatt den Alterschnitt im Kinosaal um knapp 27 Jahre zu senken. Eigentlich.

Denn es gibt auch noch Pablo Larraín. Zu sagen, der Chilene würde das Biopic interessant machen, wäre allerdings nur die halbe Wahrheit. Was in Spencer wie auch schon in Jackie vielmehr passiert ist, dass dir im Programmflyer etwas als Biopic verkauft wird („Fantastisch! Kristen Steward sieht wirklich aus wie Lady Di!“), das sich am Ende als etwas völlig anderes herausstellt. Etwas Interessanteres, Besseres, klüger Machendes.

In den guten, explosiveren Werken der Kunst – um Dietmar Dath mit ins Boot zu holen – geht es nicht um Faktenfetischismus und darum, wie es ist und war, sondern darum, wie Menschen es erleben. Der Kunstsinn von Altdorfers Die Alexanderschlacht ist genauso wenig ein historisch korrekter Abriss wie es in Spencer auch nicht darum geht, ob Diana an jenem Abend nun wirklich Pudding oder doch Souffle gegessen hat oder ob die Queen nun wirklich so war und das alles realistisch ist – was auch immer das bedeuten soll.

Nein, Larraín zoomt stattdessen ins ganz Kleine – ein Weihnachtswochenende, ein Schloss Dingsda, eine zerbrechende Frau –, um über das wesentlich Größere zu sprechen. Natürlich geht es da irgendwo auch um das Royalistische, aber Spencer weist darüber hinaus. Die verstaubten Gemälde und (un-)heiligen Hallen sind mehr als Repräsentanten einer spezifischen Kaste an einem spezifischen Ort. Sie stehen hier den Muff und das Luftabschnürrende des Konservativen und Traditionellen im Allgemeinen. Immer dort jemand von Normalität spricht, gibt es auch jene, die sich außerhalb von ihr bewegen, nicht hineinpassen, sanktioniert werden.

Für diese Monarchy vs. Anarchy in the UK-Parabel findet Larráin die pastell-paranoiden Bilder und Jonny Greenwood den passenden Sound. Die goldene Dusche wird zum Goldkäfig, die Speisen zum Eindringen des Feindes in den eigenen Körper. Wackelkamerabilder für die Außenseiterin, durchdeklinierter Choreografien-Pomp für die Royals. Und wo Streichquartette in Downton Abbey-esquen Kitschportraits über Schloss und Hof meist nur für wohlklingende, ideologische Verschleierung in Dur sorgen, bringt der dissonante, paranoide Jazz des Radiohead-Gitarristen hier einmal mehr das Unterschwellige an die Oberfläche.

Die Zerstörung des Verknöchernden gelingt am Ende nicht, wenigstens aber ein vorläufiger Ausbruch. Die Kinder neben sich, Levi’s-Jacke statt Kleiderkitsch, All I Need Is a Miracle dröhnt aus den Boxen. Fahrt in die Freiheit. Kickstart for the heart. Schöner wird es in diesem Kinojahr nur selten werden.

Wir alle wissen, wie all das in unserer Timeline am Ende kaputt gehen wird. Doch hier geht es nicht um Wahrheit, es geht um Wahrhaftigkeit.